Die großartige Odysee von Goschio Goldfisch
Jaroslavs Kaplans

Eine Geschäftsfabel
mit einer Moral
Wasser, Wasser überall, zu trinken keinen Tropf' …

Aus Die Ballade vom alten Seemann
von Samuel Taylor Coleridge
Stellen Sie sich, werter Leser, ein wahrhaft gewaltiges Aquarium vor, in dem Sie und ich einem (in jedem Sinne) aufrichtig netten und magischen Goldfisch namens Goschio begegnen werden.
Stellen Sie sich vor…
Innerhalb dieses riesigen Wunderaquariums kann Goschio ihre eigene Bewegungsrichtung, Geschwindigkeit und selbst die Tiefe ihrer Reisen frei wählen. In diesem Sinne ist unsere Goschio Goldfisch wahrhaft die Herrin ihres eigenen Lebens – schließlich trifft sie alle ihre Entscheidungen selbst: Die Temperatur, die im Aquarium herrscht, das Mittags- und Abendmahl, das sie genießt, die Freunde und Feinde, die sie erkürt, die Sauerstoffsättigung in ihrem Reich, welche Art Gras (oder Algen) sie am Grund des Aquariums pflanzen lässt, und so weiter.
EIN UNABHÄNGIGER Goldfisch?
Innerhalb dieses Aquariums, hat unsere Goschio Goldfisch alles unter Kontrolle (jedenfalls glaubt sie das):
- die Wassertemperatur
- ihre Nahrung
- den Sauerstoffgehalt des Wassers
- das Verhalten anderer Fische im Aquarium
Goschio Goldfisch ist innerhalb ihres Aquariums selbständig.
Es gibt nur ein einziges, „unbedeutendes" Problem in Goschios Leben.
ES GIBT NUR EIN "KLEINES"
PROBLEM
Wie sich herausstellt, ist das Aquarium, in dem sie lebt und durch das sie ihre Runden zieht, selbst in Bewegung – auf eine Weise, die unserem Goldfischlein nur vage bewusst ist und die es nicht versteht.
DAS AQUARIUM IST SELBST IN BEWEGUNG
Oh, das ist jedoch nicht verwunderlich – trotz des Titels dieser Geschichte ist unser fabelhaftes Aquarium keineswegs erfabelt, und unser wunderbares Goldfisch-Mädchen lebt nicht in einem Märchen … Nein, das Aquarium befindet sich auf einem sehr spezifischen Längengrad L und einem recht schicken Breitengrad B, in einem Land N (oder vielleicht in dem "Land" wogender und wundersamer Meereswogen) auf dem Planeten Erde – dem dritten Planeten von der Sonne aus, in einer Galaxie mit dem ziemlich seltsamen Namen "Milchstraße".
DAS AQUARIUM EXISTIERT WIRKLICH
Unser Planet kreist um die Sonne und dreht sich um seine eigene Achse und alle Dinge auf der Erde kreisen und drehen sich unweigerlich mit (und versuchen dabei nicht durchzudrehen). Das beinhaltet natürlich auch unser (oder vielmehr Goschios) Aquarium. Diese Umdrehungen lösen Naturereignisse aus, die täglich von Leuten beobachtet werden, wie das Wechselspiel von Sonnenauf- und -untergang, der Walzer von Nacht und Tag, die Mondsonate der Gezeiten und das endlose Karussell der Jahreszeiten.
Doch selbst jetzt, mein höchst verehrter Leser, während Sie genau diese Zeilen in genau diesem Augenblick lesen, befinden auch Sie sich durch die Bewegung unseres Planeten ständig in Bewegung.
Unsere Goschio kümmert sich wenig darum, was in der "anderen Welt" – derjenigen außerhalb ihres Aquariums – vor sich geht, denn sie taucht vollständig ein (in jeder Hinsicht) in das, was im Inneren geschieht; und lassen Sie mich Ihnen versichern, die aquarische Welt ist wahrlich sehr ereignisreich. Das Goldfisch-Fräulein sieht wenig Sinn und Zweck in der „nebulösen" Vorstellung, dass die Welt außerhalb ihres Aquariums auch ihre sorgfältige Aufmerksamkeit verdient. Diese Weltanschauung, die Goschio unerschütterlich vertritt, bringt ihr eigenes magisches Selbst oft in Gefahr, da die Umwelt das Schicksal unserer Heldin in hohem Maße beeinflussen kann.
AQUARIUM
APPARTEMENT/ HAUS
STADT/ LAND
PLANET
GALAXIE
SIE BEWEGEN SICH EBENSO STÄNDIG
(selbst, wenn Ihnen das nicht bewusst ist)
Ein Beispiel: Sagen wir, die Außentemperatur bricht plötzlich ein – das würde bedeuten, dass die warmen Gewässer des Aquariums rasant abkühlen und sogar gefrieren werden – einschließlich des Goldfischchens Goschio, wohlgemerkt. Das geschieht selbst dann, wenn das Goldfisch-Fräulein nicht das Geringste über die Außentemperatur weiß.
ÄUSSERE VERÄNDERUNGEN BEEINFLUSSEN DAS AQUARIUM
Um es deutlich auszudrücken: Mit „Umwelt" meine ich hier die Welt außerhalb des bekannten Aquariums, das „Paraquarium" sozusagen, im Gegensatz zur unmittelbaren Umgebung des Goldfischchens (innerhalb des Aquariums).
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, geschätzter Leser, richtiger- und berechtigterweise, wie in aller Welt Goschios Aquarium irgendwo im Nirgendwo von Poseidons Königreich gelandet ist. Nun, vielleicht war es eine abgeschweifte Sturmbö, die sie aus einem heimelig-gemütlichen Zuhause riss, oder vielleicht ein Wirbelsturm.
Nun denn … da unser Goldfischlein nichts von einer äußeren Welt weiß, ist Goschio ebenfalls nicht bewusst, dass sich ihr Aquarium durch irgendeinen „anderen" Raum bewegt – nun, vielleicht hat sie eine vage, unbewusste Vorstellung, dass „dort draußen irgendetwas ist". Nichtsdestotrotz, die Eigenbewegung des Aquariums, manchmal unberechenbar und tückisch, verursacht kleine und große Schwierigkeiten für unser liebes kleines Goldfischchen.
GERADE IST ES
KALT
GERADE IST ES WARM
ANDERE DINGE GESCHEHEN
100 KM/H
10 KM/H
GEN NORDEN
GEN SÜDEN
Sagen wir, unser Goldfisch-Fräulein beschließt, dass die Zeit reif sei, um das Leben zu genießen, sich eine Auszeit von ihren sehr wichtigen und vitalen Angelegenheiten zu gönnen und in die warmen und einladenden südlichen Gewässer in den Urlaub zu schwimmen. Gedacht, getan! Sie schwimmt Richtung Süden los mit einer Geschwindigkeit von, sagen wir, zehn Kilometern pro Stunde. Wehe dem Goldfischchen! Leider beginnt das Aquarium selbst, ohne dass unsere Heldin es merkt, mit einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde Kurs nach Norden zu nehmen, getrieben von einer Kraft, derer sich unsere Reisende nicht bewusst ist.
AQUARIA
PARAQUARIA
(terra incognita)
Landkarte von GOSCHIOS WELT
UNERWARTETE VERÄNDERUNG
Wo BIN ICH !?!
WAS IST DER GRUND FÜR DIESE VERÄNDERUNG?
VORHER
JETZT
(plötzlich und unerwartet)
Möglicherweise war sie schon immer dort. Es ist zu guter Letzt doch eine Fabel, und Goschio ist ein durchaus magisches Goldfischlein. Also einigen wir uns einfach darauf, im Augenblick dieses Phänomen unerforscht und unerklärt zu lassen und mit unserer Erzählung fortzufahren.
Hier ist sie also, eifrig weiter- und weiterschwimmend, einem Tête-à-Tête mit den warmen, liebkosenden Strömungen der südlichen Gewässer entgegen – voller Erwartung, in den freundlichen Wellen zu schwimmen und zu schwelgen, die unermessliche Schönheit und selige Stille des Meeres zu genießen … aber rund um sie herum herrschen stattdessen stürmende Hochseegewitter, strudelnde Wirbelstürme und gießender, eisiger Regen. Eine Ewigkeit vergeht, während unsere Goschio mit den unerbittlichen Elementen ringt und daran scheitert, ihr Ziel zu erreichen und sich ihren innigsten Herzenswunsch zu erfüllen: in den wohlverdient ruhigen, behaglichen und gelassenen Wellen der südlichen See zu schwelgen.
In unserer Allegorie ist das Aquarium der Betrieb, in dem der Unternehmer (Goldfisch) oder die Unternehmerin lebt und arbeitet. Es ist der natürliche Lebensraum des Unternehmers bzw. der Unternehmerin und es ist auch das „natürliche Gehege", das der „Schwimmfreiheit" Grenzen setzt – Grenzen, mit denen der Unternehmer seit Beginn seiner Laufbahn sehr vertraut ist.
WO BIN ICH !??!
Mit Samuel Coleridges (leicht abgewandelten) Worten ausgedrückt: „Wasser, Wasser überall, zum Denken nichts im Kopf …" „Wasser, Wasser überall …" – warum also sich mit irgendetwas anderem als Wasser befassen, haben Sie immer gedacht. Und das macht auch durchaus Sinn – bis zu dem Moment, in dem eine Möwe im Sturzflug herunterstößt und unser Goldfischchen aus den Wellen schnappt. Innerhalb von zwei Sekunden kommt Goschio die geniale, aber schreckliche Erkenntnis, dass Wasser nicht die einzige Sache auf der Welt ist.
Oh, was für ein Pech aber auch … können Sie sich die Bestürzung unseres unabhängigen und tüchtigen Goldfischchens vorstellen?
AQUARIUM
FABRIK
Alles ist so klar und vertraut
Wo bin ich!?
Und falls Sie zufällig eines dieser kleinen Fischlein sind, dann leben Sie schon Ihr ganzes Leben im Wasser und atmen es seit jeher. Alles, was Sie je gekannt oder gesehen haben, ist Wasser. Vom allerersten Atemzug Ihrer Kiemen an war nichts als Wasser um Sie herum. Und Ihr Fischpapa und Ihre Fischmama sprachen einzig und allein vom Wasser – in reinstem Aquarianisch, wohlgemerkt. Ihre Tanten und Onkel, Brüder und Schwestern und selbst entfernte Cousins und Cousinen lebten, leben und werden glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende im Wasser weiterleben. Nicht einen Augenblick lang haben Sie den geringsten Zweifel gehegt (oder einsickern lassen), ob Sie im Wasser lebten oder nicht.
Bedenken Sie Folgendes: Wenn Sie während Ihrer gesamten Laufbahn in der Fertigung gearbeitet haben, dann ist die Fertigung Ihr „Wasser". Alles, was Sie kennen, ist die Fertigung. Ihr Vater und der Vater Ihres Vaters arbeiteten in der Fertigung. Sie haben Fertigungstechnik an der Hochschule studiert und Ihr erstes Berufspraktikum war in einer Fabrik, wo Güter gefertigt wurden. Im Laufe von dreißig Jahren ist alles, was Sie je gekannt oder getan haben, die Fertigungsstraße und Fertigungstechnik. Also gehen Sie davon aus, dass alles um Sie herum nichts als Fertigung sei.
Unsere liebe Goschio hat so wenig Verbindung zur Außenwelt, dass sie kaum etwas darüber weiß. Ihr selbstversorgendes und „autonomes" Dasein, unabhängig (so glaubt sie) von der paraquarischen Welt, kommt ihr gar nicht so übel vor. Die Vorstellung, das Aquarium hätte eine Eigenbewegung, die sich nicht nach ihren Wünschen richtet, war immer schon ein zu unglaubliches und unwahrscheinliches Konzept für ihren streng pragmatischen Verstand gewesen.
Unser Goldfischlein weiß mit großer Gewissheit, dass sie innerhalb ihres Aquariums Goschio die Große und Göttliche (nun, beinahe) ist – vielleicht Goschio die Große und Göschliche: Das ist nicht verhandelbar. Fest steht, wie Pippi macht sich auch Goschio ihre Welt, widewide wie sie ihr gefällt. Das steht fest und ist für Goschio nicht verhandelbar. Allerdings ist ihr die Idee, dass es noch etwas anderes geben könnte in dieser entfernten, traumartigen Weite jenseits des Aquariums bereits ein- oder zwei- (oder höchstens drei-)mal gekommen – und selbst die paar Mal war es bloß ein nebulöser und schattenhafter Traum.
Jack Welch, der legendäre CEO von General Electric, sagte einmal: „Wenn sich die Außenwelt schneller verändert als die Innenwelt, dann ist das Ende nah."
Und dann ist sie Geschichte.
AM NÄCHSTEN TAG
AN EINEM TAG
Für das liebe kleine Goldfischchen geht das Leben einfach weiter. An einem Tag sind die Strömungen im Aquarium ruhig und heiter, gleichmäßig und ungekräuselt – wie ein großer, glatter, kristallklarer Spiegel. Doch bereits am Tag darauf wird alles durcheinandergewirbelt, und als sei das sagenumwobene japanische Seeungeheuer, ein böser Umibōzu, erschienen, bläst ein böiger Wind aus dem Nichts und das Wasser wird grün und düster; manchmal verfärbt es sich zu einem unheilvoll tiefen Dunkelblau; manchmal erscheint es sogar schwärzer als die Nacht. Zwischen einem Wimpernschlag und dem nächsten werden andere Fische, Muscheln und selbst der Sand von Dunkelheit verschlungen, und es bleiben bloß reißende, rasende Wogen zurück, die alles in Sicht zerschlagen.
IHR AQUARIUM IST IHR UNTERNEHMEN
Familie
Ausbildung
Praktikas
Karriere
Unternehmen-
sführung
— Eigener Einflussbereich, eigene Kompetenzen und eigene Interessen
— Außerhalb des eigenen Einflussbereichs
DIE VERBINDUNG DES GOLDFISCHS (NICHT DES AQUARIUMS) ZUR AUßENWELT
ist fragil und instabil
Bereich des Unbekannten
TRAGISCHES ENDE
JACK WELCH
VORSTANDSVORSITZENDER bei General Electric
(1981-2001)
Wenn sich die Außenwelt schneller verändert als die Innenwelt, dann ist das Ende nah.
Manchmal findet Goschio das Leben in ihrem Aquarium mächtig schwer. Was sollte sie in so einem Augenblick tun? Nun, das Einzige, was sie tun kann, ist mit aller Macht zu glauben, dass alles gut wird in dieser besten aller möglichen Welten – und wie Candide und Kunigunde (oder Kunigoschio, wenn man will), alle Schicksalsschläge ergeben und geduldig zu ertragen.
Dann schwelgt Goschio in Erinnerungen an den Französischunterricht von vor langer Zeit und denkt sich,C'est la vie. Tatsächlich glaubt sie, „die Welt funktioniere einfach so", dass die Dinge aufgrund der Gesetze von „Mutter Natur" höchstselbst so sein müssten wie sie sind. Ganz abgesehen von der endlosen Flut von Zweifeln, Zukunftsängsten und Reue über „frucht- und ziellose Jahre" und unendlichem Wiederaufwärmen ihrer früheren Leistungen …
Allzu oft spürt unser Goldfischlein den schleichenden Verdacht anschwellen, zwischen sie und das tiefblaue Meer ihrer Träume würde sich der böse Umibōzu drängen – jederzeit bereit, ihr Seefahrzeug zu zerbrechen und ihr Streben zu vereiteln.
Und das, meine Freunde, ist das wahre Problem unseres Goldfischchens – als da wäre, sie weiß praktisch nichts über die Veränderungen in der Außerwelt … sie kann sie weder beobachten noch erkennen … bisher.
Es war einmal vor langer Zeit da war auch ich ein solcher Goldfisch … aber als sich heraus- und ich feststellte, dass mein Aquarium ohne mein Wissen oder meine Zustimmung in Bewegung war, begann ich mich mehr und mehr für die Frage zu interessieren: Wer bewegt unsere Aquarien (und auch: Warum? Wie? Und Wohin?) mitsamt (in jedem Sinne) netten Goldfischen (Unternehmern) drin?
DAS AQUARIUM BEWEGT SICH
IST SO DAS LEBEN?
WAS BEINFLUSST UNS?
Ich fürchte, das wird unserem mutigen und magischen Goldfischchen kaum helfen. Zusätzlich zu ihren ritterlichen Anstrengungen müsste sie sich auch für den richtigen Weg entscheiden, um diese Anstrengungen zu erbringen. Wenn Goschio zum Beispiel bloß bewusst wäre, dass ihr Aquarium tatsächlich Kurs nach Norden genommen hatte und dass sie ebenfalls direkt auf die Arktis zusteuerte, dann könnte sie die nötigen Schritte unternehmen, ihr Seefahrzeug gegen Kälte isolieren und sich irgendwo einen bequemen, warmen (und sehr eleganten) Pelzmantel kaufen statt des schicken Bikinis. Schließlich sind schicke Bikinis nutzlos im Polarmeer …
Als eine geheimnisvolle Strömung unser ahnungsloses Goldfischchen letztendlich zum Nordpol befördert (wenn sie der Möwe entkommen konnte – schließlich ist sie ziemlich magisch), hält Goschio nach wie vor an ihrem hehren Ziel fest, die warmen und freundlichen Gefilde zu erreichen. Und kurz, bevor sie endgültig in den eisigen, unwirtlichen Gewässern der Arktis erfriert, während sie von der erbarmungslosen Kälte schlottert und alles zusammenklaubt, was von ihrem halb erfrorenen, goldfischigen Verstand übrig ist, zieht unsere unerschrockene Heldin schließlich den vernünftigen Schluss, dass sie lediglich ihre Geschwindigkeit Richtung Süden von zehn auf elf Stundenkilometer erhöhen muss, oder allenfalls sogar auf zwölf. Mit übergoldfischlicher Anstrengung nimmt sie die Herkulesaufgabe in Angriff. In den Augen unseres praktisch veranlagten Goldfischchens ist das absolut-ach-so-logisch: Um das Problem zu lösen und das Ziel zu erreichen muss sie sich doch nur ein bisschen mehr anstrengen, oder etwa nicht?
Seltsamerweise fragt sich unsere Goschio jedes Mal, wenn auf der See ein Sturm tobt, höchst inbrünstig, was ihr widerfährt und weshalb ihr die Vorsehung ein solch launisches und wechselhaftes aquarisches Schicksal schickt.
Jedes Mal, wenn sich Unternehmer und Unternehmerinnen in meinem Umfeld in einem Sturm wiederfanden – sei es das Verlieren von Marktanteilen, rückläufiger Absatz, verschärfter Wettbewerb, geringeres Mitarbeiterengagement, und so weiter – schlugen sie Lösungen aus dem „Innern des Aquariums" vor. Sie hatten keine Ahnung, dass es nicht nur die Gewässer ihres Heimataquariums waren – nicht so sehr diese liebsten Gewässer – die ihre Aufmerksamkeit und ihr Verständnis erforderten, sondern vielmehr die Elemente jenseits der wohlbekannten, vertrauten Strömungen, in den grenzenlosen „Marktlanden" der äußeren Welt.
Doch wie es steht (oder fließt) ist Goschio dazu bestimmt, für immer in diesem Reich tückischer und wechselhafter Strömungen zu verweilen … und früher oder später in diesen rauen, schneidenden und feindseligen Gewässern zu erfrieren. Aber was denken Sie über all dies, wertester Leser?
UMSATZ
WETTBEWERB
MOTIVATION
Die Dinge unternehmensintern hin- und herzuschieben ist wenig hilfreich.
Ich muss schneller schwimmen!
Ich muss es durchstehen und einfach weitermachen!
t =-30 Grad Celsius
?
DIE SITUATION ZU VERSTEHEN, ERLEICHTERT DIE PLANUNG
?
Obwohl bereits 500 Jahre vergangen sind, seit Da Vinci die obenstehende Maxime formuliert hat, können wir seinen Rat mit voller Überzeugung wiederholen, nicht nur für Künstler, sondern auch für alle zeitgemäßen Unternehmer. Seit nunmehr sechs Jahren habe ich ausführlich die Gründe der hohen „Unternehmersterblichkeit" erforscht und bin dabei auf eine sehr faszinierende und wesentliche Fragestellung in der Philosophie des Unternehmertums gestoßen.
Was ist der beste Beobachtungspunkt, von dem aus man den eigenen Aktionsradius überblickt und Unternehmern hilft, neue Chancen für sich und für ihre zukünftigen Kunden zu eröffnen?
Perspektive ist Leitstern und Zugang: und ohne dies kann nichts meisterhaft getan werden...
Leonardo Da Vinci (1452-1519)
Zweiter Teil: Zwischenwort (Passage zur Bildergalerie unternehmerischer Wirklichkeiten)
Wenn Sie sich so schnell wie möglich wieder mit Goschio treffen möchten, lieber Leser, dann können Sie das Zwischenwort auch überspringen und direkt zu Teil III übergehen, der Bildergalerie unternehmerischer Wirklichkeiten. Wenn Sie aber gerne herausfinden möchten, warum ich sie „Bildergalerie" nenne und wenn Sie einen Einblick in die Geschichte dieser Geschichte bekommen möchten, dann bleiben Sie doch einfach noch ein, zwei oder drei Seiten bei mir. Wer weiß? … vielleicht finden Sie es ja faszinierend. Und Goschio wird danach immer noch in kalten, warmen oder lauen Gewässern schwimmen, das verspreche ich Ihnen …
LEONARDO DA VINCI
Unternehmerisches Handeln
Perspektive ist Leitstern und Zugang: und ohne dies kann nichts meisterhaft getan werden…
VON WELCHEM BEOBACHTUNGSPUNKT AUS ERKENNT MAN CHANCEN AM BESTEN?
Brillianter Künstler
(1452-1519)
Und an dieser Stelle würde ich gerne einige Parallelen zwischen diesen Welten ziehen – Kunst und Unternehmertum –, denn sie beide haben viele Gemeinsamkeiten. Sowohl in der Welt des Unternehmertums als auch in der Welt der Kunst definiert der gewählte Beobachtungspunkt jemandes Paradigma des Denkens, insbesondere, wenn es um Dinge geht, die die eigenen Überzeugungen, eigene Weltanschauung und sogar den Zustand der eigenen Existenz beeinflussen.
Tatsächlich hat Picasso seinen künstlerischen Ansatz Anfang des 20. Jahrhunderts wie folgt beschrieben: "Ich male die Dinge, wie ich sie denke, nicht wie ich sie sehe."
In der Kunst gibt es einen Unterschied zwischen der Realität und dem Kunstwerk, das diese Realität abbildet. Dieser Unterschied wird durch den eigenen Blick des Künstlers auf die umliegende Welt noch weiter hervorgehoben. Seit der Zeit der Renaissance haben europäische Künstler versucht, die Illusion eines dreidimensionalen Raums in ihren Zeichnungen und Gemälden zu schaffen. Sie wollten, dass der Betrachter das Gemälde genauso sieht, als würde er es von einem ganz bestimmten Punkt aus betrachten, beispielsweise so, als würde er eine bestehende Szene, einen Innenbereich, eine Person oder ein Objekt durch ein Fenster betrachten. Doch das 20. Jahrhundert brachte neue Entwicklungen in der Quantenphysik und der Relativitätstheorie mit sich. In der bildenden Kunst entstanden neue Richtungen, Kunstrichtungen, welche die Doktrin eines alleinigen Blickwinkels ablehnten. Werter Leser, Sie vermuten vielleicht bereits, was ich im Folgenden beschreiben möchte: Den Kubismus. Ganz gleich, ob Sie den Kubismus in all seiner Komplexität kennen oder nicht, wahrscheinlich haben Sie schon von seinen Schlüsselfiguren wie Pablo Picasso, George Braque und Jean Metzinger gehört. Was den Kubismus im Wesentlichen von der klassischen Malerei unterscheidet, ist, dass er die Bedeutung zahlreicher Blickwinkel anerkennt und damit die Wahrnehmung von Gleichzeitigkeit ermöglicht während man das „komplette Objekt" betrachtet.
Die jeweilige Perspektive, die ein Beobachter einnimmt, ist dahingehend ein einzigartiges Phänomen, dass es allen Raum und alle Zeit umspannt. Interessanterweise stammt das Wort „Perspektive" vom lateinischen Begriff perspicere ab und bedeutet „etwas genau betrachten, klar erkennen, etwas durchblicken". In der Welt der Kunst wird, im Gegensatz zur Welt des Unternehmertums, die Frage nach der Perspektive nicht als etwas Neues oder Einzigartiges angesehen.
WAS ERFOLG IST
HÄNGT VON DER JEWEILIGEN PERSPEKTIVE AB
PERSPEKTIVE
„etwas genau betrachten, klar erkennen, etwas durchblicken" Ein Begriff, der auf der einen Seite den gewählten Blickwinkel beschreibt, auf der anderen Seite die Möglichkeit, Objekte zweidimensional darzustellen und damit den Eindruck von Distanz, Tiefe und Volumen im Allgemeinen, zu erwecken.
Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und bedeutet
Künstler
Unternehmer
Personen
Betrachtetes Objekt
VISION
(Perspektive)
ÜBER REALITÄT UND DARSTELLUNG
Die REALITÄT ABBILDEN
KLASSIZISMUS
KUBISMUS
Objekt wird "als Ganzes" wahrgenommen.
PABLO PICASSO
Ein herausragender Künstler
(1887-1973)
Ich male die Dinge, wie ich sie denke, nicht wie ich sie sehe.
Kunstwerk
Produkt
Als Hauptquelle meiner künstlerischen Inspiration diente mir Pablo Picasso. Tatsächlich inspirierte mich sein Gemälde, Les Demoiselles d'Avignon (Die Mädchen von Avignon) dazu, diese Fabel zu schreiben. Vor über hundert Jahren sprach Picasso folgende Worte: "Beim Malen bedeutet Suchen meiner Ansicht nach gar nichts. Auf das Finden kommt es an."
Wie Albert Einstein sagte: „Fantasie ist wichtiger als Wissen. Denn Wissen ist begrenzt, während die Fantasie die ganze Welt umfasst, den Fortschritt ankurbelt und die Mutter der Evolution ist."
Hinsichtlich der Kreativität gibt es ein wesentliches Prinzip: Die Kreativität ist weder an die der Menschheit bekannten Erfahrungen gebunden noch an allgemein bekannte Algorithmen. Sie basiert weder auf Logik noch auf Mathematik und existiert in erster Linie im Reich der Vorstellungen – der Muse aller Kunst. Die Kreativität ist eben jene Brücke zwischen der Kunst und dem Unternehmertum.
Die Künstler des Kubismus haben Objekte so dargestellt, wie sie sie sich vorstellten – in ihrer Gesamtheit und alle Aspekte gleichzeitig. Sie malten nicht länger einfach eine Schale voller Früchte (oder eine Vase voller Sonnenblumen) so wie sie diese mit den eigenen Augen wahrnahmen, sondern sie stellten jede Ansicht des Objekts gleichzeitig dar. Eine derart simultane Darstellung verschiedenster Facetten der Realität, die Darstellung von Objekten aus verschiedensten Blickwinkeln, war ein avantgardistischer Ansatz in der Kunst. Als ich über diesen Blick auf die Kunst nachgedacht habe, sah ich darin eine enorme Möglichkeit, die Weltanschauung der Kubisten mit der von Unternehmern zu vergleichen. Ich kann aus vollster Überzeugung sagen, dass es die revolutionäre Perspektive der Kubisten auf unterschiedlichste Perspektiven und Blickwinkel war, die mich dazu inspiriert hat, in meinem eigenen Aktionsradius, dem des Unternehmertums, nach neuen Betrachtungswinkeln zu suchen. Gleichwohl basiert der Leitgedanke dieser Analogie zum Kubismus auf einer anderen Idee. In ihrer Technik erkannte ich eine unglaubliche Möglichkeit, das unendliche unternehmerische Grübeln hinsichtlich dem „Was-Man-Tun-Sollte" in neue Blickwinkel und Perspektiven zu rücken. Aus diesen erfrischenden neuen Blickwinkeln springen verschiedenste Beobachtungen hervor, die ihrerseits wiederum zu neuen Erkenntnissen führen. Und genau das ist der Hauptgedanke, auf dem die Geschichte basiert, die Sie gerade lesen. Sie zeigt Unternehmern die Existenz verschiedenster Perspektiven und Blickwinkel hinsichtlich ihres Handelns und ihrer Interaktion mit der Umwelt auf. Ein solches Verständnis befähigt sie, neue und kreative Lösungen zu finden.
Objekt wird von allen Seiten simultan betrachtet
Perspektiven sind im Unternehmen vergleichbar
LOGIK
ANALYSE
ERFAHRUNG
VORSTELLUNGSKRAFT
ALBERT EINSTEIN

Bedeutender Physiker, Nobelpreisträger, Vater der Relativitätstheorie
(1879-1973)
Fantasie ist wichtiger als Wissen. Denn Wissen ist begrenzt, während die Fantasie die ganze Welt umfasst, den Fortschritt ankurbelt und die Mutter der Evolution ist.
PABLO PICASSO

Brillianter Malter
(1887-1973)
Les Demoiselles d'Avignon
Beim Malen bedeutet Suchen meiner Ansicht nach gar nichts. Auf das Finden kommt es an.
Über die Bedeutung einer komplexen Wahrnehmung
KUNST UND UNTERNEHMERTUM
Alle diese Betrachtungen sind eng miteinander verflochten und dies macht es oftmals schwer, sie voneinander zu unterscheiden, da sie schließlich und endlich das gleiche „Objekt" (das Unternehmertum) aus unterschiedlichen Perspektiven heraus betrachten. Gleichermaßen sind diese Gedanken, Erwägungen, Ideen, Wahrnehmungen und Gefühle zur Geschäftswelt in der realen Welt des Unternehmertums oft miteinander zu komplexen und verschachtelten Gebilden verschlungen. Dadurch bilden sich jede Menge Besonderheiten und Eigenheiten in der Geisteshaltung von Goldfischen heraus – oder, weniger sinnbildhaft gesprochen, in der Geisteshaltung der Unternehmer und Unternehmerinnen. Gleichzeitig fokussiert sich jedes dieser Gemälde der Betrachtungen auf einen einzigartigen Aspekt der unternehmerischen Geisteshaltung, mit dem Ziel, meinen Lesern die Möglichkeit eines Panoramablicks, aus unterschiedlichsten und zeitweise überraschenden Blickwinkeln, auf die „Weltsicht des Unternehmertums" zu geben..
Dritter Teil: Die Goschio-Bildergalerie unternehmerischer Wirklichkeiten
Werter Leser, Sie können sich nicht vorstellen, welche Freude es mir bereitet, Sie herzlich im Namen Goschios in unserer fabelhaften Galerie der Gemälde der Betrachtungen willkommen zu heißen. Um es mit den Worten zu sagen, die dem großen französischen Philosophen Denis Diderot zugeschrieben werden: Ich hoffe, dass Sie „das Fabelhafte im Vertrauten und das Vertraute im Fabelhaften" finden werden.
Gemälde der Betrachtungen sind die künstlerischen Juwelen unserer Galerie, während neue und unterschiedliche Wirklichkeiten das sind, worum es in der Kunst (und der Kunst des Unternehmertums) wirklich geht. Zwei Gesichtspunkte, zwei Beschreibungen… Und nun lassen Sie uns ohne weitere Ehrenrunden unserer Bildergalerie die Ehre geben …
Seinem Rat folgend war ich stets bestrebt, hinsichtlich des Unternehmertums meine eigene Perspektive und meinen eigenen Blickwinkel zu finden. Ich glaube, dass ich dies auch hochgradig erfolgreich geschafft habe, doch die Suche ist bei weitem noch nicht beendet. Und ich glaube, dass es wichtig und hilfreich ist, meine Erkenntnisse mit dem Leser und dem Unternehmer zu teilen. In diesem Buch wird jeder Gesichtspunkt wie ein Gemälde, das eine bestimmte Betrachtung zeigt, dargestellt. Dies wiederum ermöglicht dem Leser (oder Betrachter?) eine einzigartige Perspektive auf seine oder ihre Aktivitäten. Die „Collage" all dieser Gemälde der Betrachtungen eröffnen dem Leser einen 360-Grad-Panoramablick auf seine eigenen Tätigkeiten, und das von verschiedensten Aspekten und Betrachtungswinkeln aus; gleich dem Werk eines Kubisten. Analog können wir uns den Leser als Besucher einer virtuellen Ausstellung vorstellen. In dieser imaginären aber möglicherweise sehr realen Bildergalerie, kann man eine Fülle solcher Gemälde der Betrachtungen finden, ein Begriff, den ich dazu benutze, um die verschiedenen Umstände, Fakten und Faktoren zu beschreiben, die das Aquarium als Ganzes beeinflussen, ebenso wie jedes einzelne Ergebnis, das ein Goldfisch (Unternehmer) anstrebt.
Falls Sie noch nicht durch die Passage zu unserer Bildergalerie unternehmerischer Wirklichkeiten geschlendert sind (beziehungsweise, wenn Sie das Zwischenwort nicht gelesen haben) oder selbst wenn doch, lassen Sie mich Folgendes sagen… Nachdem ich die möglichen Strategien untersucht habe, die vor unserem magischen Goldfisch-Fräulein liegen, will ich zehn wichtige Betrachtungen mit Ihnen teilen. Wie ich es sehe, werden diese das zukünftige Glück und Schicksal unseres Goldfischleins wesentlich beeinflussen.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
BEBACHTUNGEN UND SCHLUSSFOLGERUNGEN
AUF BASIS VON GOSCHIOS VERHALTEN

ZEHN GEMÄLDE DER BETRACHTUNGEN
3600
Panoramablick auf das Unternehmertum
ALLE GEMÄLDE STEHEN IN BEZIEHUNG ZUEINANDER
#1
#2
#3
#4
#5
#6
#7
#8
#9
#10
DENIS DIDEROT

Schriftsteller, Philosoph und Pädagoge
(1713–1784)
…finde das Fabelhafte im Vertrauten und das Vertraute im Fabelhaften.
unternehmerischer Wirklichkeiten
DIE GOSCHIO-BILDERGALERIE
EIN GEMÄLDE AUS DER GALERIE
unternehmerischer
Wirklichkeiten
GEMÄLDE DER BETRACHTUNGEN
Es gibt nur eines, das noch schlimmer ist: Solches Selbstbewusstsein schwillt oft zuerst zu Selbstüberschätzung an und bläst sich dann zu Dummheit auf. In meiner Gegend gibt es ein Sprichwort: „Lehre den Dummen und verarzte den Toten: beiderlei gehört verboten". Ähnlich spöttelte der deutsche Schriftsteller Jupp Müller: „Wer Stroh im Kopf hat, fürchtet den Funken der Wahrheit." In der englischsprachigen Welt ist man gnädiger und sagt: „Je dringender der Rat gebraucht, umso lauter der Empfänger faucht."
Lassen Sie uns ein riesiges Gemälde und einen kleinen Ausschnitt aus diesem Kunstwerk als Analogie heranziehen. Ein Betrachter, der nur fähig ist, einen winzigen Teil des Gemäldes wahrzunehmen, ist dennoch absolut überzeugt davon, dass er das gesamte Gemälde versteht – obwohl das ganze Gemälde in Wahrheit tausende Male größer ist als der Ausschnitt, den er betrachtet.
Wie auch Goschio verschwenden die meisten Leute keinen Gedanken an Paraquaria, ihre Umwelt „außerhalb des Aquariums". Diese Unkenntnis geht so weit, dass sie gar nicht merken, dass es eine Umwelt gibt. Trotzdem existiert diese Welt, die Umwelt, und zwar unabhängig davon, ob wir sie berücksichtigen oder nicht.
Erste Betraung: Ihre Umwelt ist wichtig
WAS UMGIBT UNS?
DAS AQUARIM IST LEDIGLICH
ein kleiner Bestandteil
DES GROSSEN GANZEN
PARAQUARIA
IHRE UMWELT IST WICHTIG
SELBSTBEWUSSTSEIN
ÜBERMUT
WER STROH IM KOPF HAT, FÜRCHTET DEN FUNKEN DER WAHRHEI
Genau wie unser Goldfisch-Fräulein in ihrem aquatischen Lebensraum existieren Unternehmer und Unternehmerinnen und ihre Produkte nicht in einem kosmischen „Vakuum", in einer eigenen Welt, von der Umwelt und den Kunden getrennt, sondern vielmehr immer in einer sehr spezifischen Beziehung zu ihren Kunden.
Wenn Goschio ihre Umwelt aus dem Innern ihres Aquariums betrachtet, nimmt sie an, dass das Leben „dort draußen", „über Bord", genau dasselbe sei wie in ihren eigenen aquarischen Meeren. Tatsächlich sind die Sprache, die Sitten, die Bräuche und das Benehmen anderer Fische (Bürger von Paraquaria) scheinbar so ähnlich, beinahe identisch mit der ihr bekannten Welt, dass sie zu einem sehr „vernünftigen" Schluss kommt. Anscheinend ist die große Welt von Paraquaria einfach ein vergrößertes Duplikat ihres eigenen aquarischen Universums. Leider kennt unser kleines Goldfischchen diese einfache Tatsache nicht: Das Leben außerhalb des Aquariums ist um Weltmeere – nun, nicht unbedingt besser, aber jedenfalls anders als das Leben innerhalb.
Zweite Betrachtung: Gesetze sind nicht allgemeingültig
Wie der amerikanische Anthropologe Ralph Linton klugerweise bemerkte: „Das Letzte, was einem Fisch je auffallen würde, ist Wasser."
ERWARTUNGEN
Dort draußen ist es genauso wie in meinem Aquarium
REALITÄT
DIE WELT IST MANNIGFALTIG
GESETZE SIND NICHT UNIVERSAL
WASSER
GOLDFISCH
ANDERE MEERESBEWOHNER
PRODUKT
KONTEXT der INTERAKTION
KUNDE
DER UNTERNEHMER/ DAS PRODUKT UND DER KONSUMENT
sind miteinander durch Interaktionen verbunden
RALPH LINTON
Amerikanischer Anthropologe
(1895-1953)
Das Letzte, was einem Fisch je auffallen würde, ist Wasser.
Probleme vom zweiten Gesichtspunkt aus zu betrachten ist deutlich effektiver. Es ist eine Panorama-Aussicht, die gesamte „Szenerie" in einem großen Winkel erfasst, und dieser Blickwinkel erlaubt dem Betrachter, die Wechselwirkungen und gegenseitigen Beziehungen zwischen dem Problem, der Umwelt und einem selbst zu sehen. Aber vor allem erlaubt die Sicht von außerhalb des Aquariums unserem Goldfischlein, eine Verbundenheit mit ihrer Umgebung zu haben – schließlich kann man sich nicht im Wasser wiederfinden, ohne nass zu werden, oder?
Der erste Blickpunkt (das Problem von dort aus zu betrachten, wo es existiert) ist die unvorteilhafteste Position. Es ist beinahe unmöglich, von diesem Blickwinkel aus den „Weg zum Sieg" auszumachen – der Raum ist zu eng: Das hindert unser Goldfischchen daran, eine effektive Lösung zu sehen. Wir könnten sagen, dass das „Blickfeld" auf das Problem zu eng und unzulänglich ist, um Entscheidungen zu treffen. (Mit Blickfeld meine ich natürlich das Panorama, der Umfang dessen, was wir sehen.) Die Siegesgöttin könnte uns den Sieg nicht zeigen, wenn wir nicht die gesamte Höhe und Gestalt im Blick hätten. Versuchen Sie einmal, einen großen Gegenstand (wie eine Wasserflasche) zu betrachten, die (buchstäblich) genau auf Ihrer Nase sitzt, nur etwa zwei Zentimeter vor Ihren Augen. Das ist etwas schwierig, nicht? Sogar, wenn man Erfolg hat und tatsächlich eine Lösung des Problems innerhalb des Problembereichs findet, könnte das Ergebnis den berühmten Worten folgen, „die Schlacht zu gewinnen aber den Krieg zu verlieren".
Man kann Dinge von den verschiedensten Blickwinkeln aus beurteilen (ich bezeichne das auch als Gesichtspunkte, Blickpunkte oder Betrachtungswinkel). Unser Wissen oder unsere Wahrnehmung hängt immer vom gewählten Gesichtspunkt ab: Oft betrachten zwei Personen den gleichen Gegenstand, aber zwischen ihren jeweiligen Interpretationen davon liegen Welten (oder Weltmeere). Wenn unser Goldfischlein in einem bestimmten Gebiet einem Problem begegnet, kann sie dieses Problem von zwei völlig unterschiedlichen Gesichtspunkten aus betrachten. Der erste Gesichtspunkt ist, wenn sie das Problem aus dem Inneren des Aquariums betrachtet; der zweite Blickwinkel ist von außerhalb des Aquariums und aus einiger Entfernung.
Wunderlich, nicht? Goschio weiß sehr wohl, dass da „Wasser, Wasser überall" ist, und dennoch erscheint es einem beinahe so, dass sie nicht einmal ihre unmittelbarste Umgebung vollständig oder klar sieht – und das bringt uns direkt zu unserer nächsten und dritten Betrachtung. Dritte Betrachtung: Seien Sie dort, woe die Lösung in Sicht ist
DEN RICHTIGEN BLICKWINKEL WÄHLEN
BETRACHTUNG AUS DEM INNEREN HERAUS
(enger Winkel)
BETRACHTUNG VON AUßEN
(weiter Winkel)
BEREICH MÖGLICHER LÖSUNGEN
PROBLEM
Man kann die Lösung nicht aus demselben Blickwinkel heraus sehen, wie das Problem selbst.
DEN RICHTIGEN BLICKWINKEL WÄHLEN
hinsichtlich des Problems

SEI DORT, WO DU SEHEN KANNST
WIE SCHAUEN WIR AUF DAS PROBLEM?
Und nun, zurück zur Tagesordnung. Wenn man dieses Zusammenspiel des Problems, des Umfelds und des Betrachters (einem selbst) von außerhalb des Problembereichs untersucht und analysiert, dann kann schneller eine effektive Lösung gefunden werden. Ein mögliches Resultat dieser Art „panoramischer" Aussicht auf das Problem könnte eine fundamental neue Lösung oder sogar ein neues Geschäftsmodell sein. Zum Beispiel könnte eine solche elementar neue Lösung dazu führen, wie „von Zauberhand" etwas, das die meisten als Unkosten betrachten, in eine erstklassige Einkommensquelle zu verwandeln.
Und nun, gehen Sie und fragen Sie Goschio, ob sie ihre Aquanic liebt – die junge Dame würde uns verdutzt mit geweiteten, goldfischlichen Augen anstarren. Sie würde vielleicht verstehen, dass wir ihrem Zuhause einen Schiffsnamen gegeben haben, aber sie wäre sicherlich verwirrt – „Mein Land? Ein Schiff? Unmöglich!" Doch bevor Sie „Aquaria" zu Ende gesagt haben, würde ein wohlgesinntes, stolzes Lächeln ihr majestätisches Gesicht zieren. Folglich: Ein unterschiedlicher Blickwinkel kann den entscheidenden Unterschied machen. Für manche ist es Aquaria, für andere – die Aquanic. Vielleicht kommen Ihnen eigene Beispiele in den Sinn, bei denen Leute „die gleiche Sache" mit unterschiedlichen Namen bezeichnen, je nach Gesichtspunkt, den sie wählen.
Vielleicht haben Sie erraten, dass Aquaria Goschios Reich ist, aber es muss unbedingt gesagt sein, dass „Aquaria" der Name ist, den Goschio und ihr unmittelbares Gefolge für das Königreich verwenden. Von Goschios Gesichtspunkt innerhalb des Aquariums aus ist ihr Königreich eine gewaltige und ausgedehnte aquatische Welt – und was noch wichtiger ist: eine Welt, die beständig und unerschütterlich ist. Nun gut, das ist teilweise richtig – Aquaria ist ein wunderschönes Reich, das Goschio und ihren Freunden viele Chancen bietet. Aber … Sie und ich wissen beide nur zu gut, dass bei schwerem Seegang der Zustand von Aquaria nicht so beständig und unerschütterlich ist – die Umwelteinflüsse sind enorm. Als nun also Seefahrer und Entdecker diese reisende, treibende Welt mit Periskopen, von Unterseeboten und Heißluftballonen aus erspähten und beobachteten, „tauften" sie es auf den stattlichen Namen „Aquanic". Einige verstehen vielleicht „Aquaria", aber nur die Klügsten, Gelehrtesten unter ihnen. Im Großen und Ganzen wissen die Paraquarier wenig über „Aquaria", aber nur wenige haben noch nie etwas von der Treibenden Aquanic gehört – einem Seegefährt, das nicht weniger legendär ist als der Fliegende Holländer und nicht weniger berühmt als die Titanic. Manche nennen sie die Fahrende, andere, weniger liebevoll, die Fahrige. Es gibt jene, die sie als Herrin der See besingen, und nach einer weiteren Denkrichtung wird sie die „Meerkönigin der Nacht" genannt; noch andere titeln sie „Meeresbarke" oder „Meeresarche". Unter welchem Namen auch immer, die Aquanic ist ganz bestimmt ein ernst zu nehmendes Phänomen.
Diese unterschiedlichen Gesichtspunkte werden in der buddhistischen Geschichte des Elefanten und der vier blinden Männer schön illustriert, worin die vier Männer den Elefanten zu ergründen suchen, indem sie verschiedene Körperteile abtasten – den Rüssel, den Schwanz, die Beine, die Seiten. Und jeder von ihnen stellt sich eine andere Version des Elefanten vor. Wirklich, eine sehr kluge Parabel. In unserer Fabel finden wir allerdings ein noch treffenderes Beispiel, das mit Aquaria selbst zu tun hat …
PROBLEM
Panoramablick auf das Problem
Lösung 1
Lösung 2
Lösung 3
Lösung N
DIE PARABEL VOM BLINDEN MANN UND DEM ELEFANTEN
BEZEICHNUNGEN UND DEREN VERSTÄNDNIS
DIE GLEICHEN OBJEKTE KÖNNEN JE NACH ORT UND UMSTAND ANDERE BEZEICHNUNGEN HABEN
Wie sehr liebst du "Aquabarco"?
Mein Land? Ein Schiff? Unmöglich!
IN DEN RAUEN GEWÄSSERN DER ÜBERSETZUNG
Blickwinkel aus dem Inneren des Aquariums heraus
Blickwinkel vom Land aus
Die vierte Betrachtung leitet sich aus der vorhergehenden ab und läuft auf Folgendes hinaus: Um davon wegzukommen, ein Spielball der eigenen Umwelt und völlig von ihr abhängig zu sein, um sozusagen das Stimmrecht zu erlangen, muss Goschio die Wände ihres eigenen engen Aquariums erweitern und Platz für einen Teil dessen schaffen, was zur Umwelt gehörte.
Es ist eine wundersame Tatsache, dass alles, was keine solche Verbindung hat, im richtigen Leben unausweichlich Wirkung sein wird. So ist Winnetou bloß Winnetou und Old Shatterhand bloß Old Shatterhand, bis zu dem Moment, da sie Blutsbrüderschaft schließen – erst das macht sie zu Winnetou und Old Shatterhand. Diese Verbindung erlaubt ihnen, einander beizustehen und gemeinsam viel mehr zu erreichen als das, wozu sie einzeln in der Lage wären. Sehen Sie, verehrter Leser, die vielfältige Magie dieser Verbindung …?
Das altehrwürdige philosophische Prinzip, das dieser Betrachtung zu Grunde liegt, könnte lakonisch so ausgedrückt werden: Die Wechselwirkung von Ursache und Wirkung gibt es nur, wenn zwischen beiden eine Verbindung besteht. Wenn diese Verbindung fehlt, gibt es kein Zusammenspiel von Ursache und Wirkung. Daher ist es die Verbindung (der Bund, das Bindeglied, die Kopplung, etc.) selbst, die den Zusammenhang von Ursache und Wirkung erzeugt.
Und das ist der Hauptfehler, den ein Unternehmer oder eine Unternehmerin machen könnte: Ein Produkt zu entwickeln oder einen Kundenstamm aufzubauen, ohne eine dauerhafte Brücke zu erschaffen, eine effektive und zuverlässige Verbindung zwischen dem Unternehmer und dem Kunden. In diesem Sinne geht es im Unternehmertum mehr um die Verbindung zwischen Unternehmern und ihren Kunden als um Produkte und Kunden getrennt.
Vierte Betrachtung: Ursache, Wirkung und deren Verbindung
Aber die Idee von „Verbindung" kann auch leicht anhand eines praktischeren Beispiels gezeigt werden: dem eines Lastwagenschleppers. In der Transportindustrie werden Lastwagenschlepper (Ursache) benutzt, um Sattelanhänger, Flachbrettanhänger und alle anderen Arten von Anhängern (Wirkung) zu ziehen. Wenn die Verbindung fehlt, gibt es nur mögliche Ursache und Wirkung. Bis zu dem Moment, an dem der stärkste Lastwagenschlepper der Welt mit dem Anhänger verbunden ist, wird der Lastwagenschlepper nicht mehr als mögliche Ursache sein. Was ihn ehrlich und redlich zu Ursache macht, ist seine Verbindung zum Anhänger.
IST ES NOTWENDIG, DIE WÄNDE DES AQUARIUMS ZU ERWEITERN?
VON DER BEDEUTUNG DER VERBINDUNG
Es ist die Verbindung selbst, die den Zusammenhang von Ursache und Wirkung erzeugt.
VON DER BEDEUTUNG DER VERBINDUNG
EFFEKT
URSACHE
MÖGLICHE URSACHE
MÖGLICHE WIRKUNG
VERBINDUNG
PRODUKT
KUNDE
FEHLENDE VERBINDUNG
EIN HÄUFIGER FEHLER VON UNTERNEHMERN
URSACHE, WIRKUNG UND DEREN VERBINDUNG
So ist Winnetou bloß Winnetou und Old Shatterhand bloß Old Shatterhand, bis zu dem Moment, da sie Blutsbrüderschaft schließen – erst das macht sie zu Winnetou und Old Shatterhand. Diese Verbindung erlaubt ihnen, einander beizustehen und gemeinsam viel mehr zu erreichen als das, wozu sie einzeln in der Lage wären.
ALLEM DEM VERBINDUNG FEHLT
Fünfte Betrachtung: Erweitern Sie die Grenzen Ihres Verstehens Wenn Goschio die Wände ihres Aquariums nach außen verschiebt und den Platz im Innern vergrößert, erlangt sie auch mehr Kontrolle über die äußere Umwelt, und zwar aus einem einfachen Grund: Sie war in der Lage, einen Teil der Umwelt für ihre eigenen aquarischen Bedürfnisse zu „erobern". Außerdem erlaubt ihr dieser neue Sachverhalt, ihre Übersicht über ihre eigene Umgebung zu erweitern – unsere Heldin hat nun einen besseren, weiteren Betrachtungswinkel und kann innerhalb ihres frisch vergrößerten Aquariums mehr Wechselwirkungen beobachten.
MEHR PLATZ - MEHR KONTROLLE
KONTROLLZONE
Es sollte gesagt sein, dass der Raum, den jemand beansprucht (in erster Linie, rein gedanklich beansprucht) die jeweiligen persönlichen Ressourcen definiert. Die besten Künstler, Wissenschaftler, Machthaber und Unternehmer wussten immer schon die Konzepte und Ressourcen aus aller Welt zu nutzen. Egal, ob Sie Hollywood mögen oder nicht, es zieht Talente aus allen Ecken und Winkeln der Welt an. Und natürlich findet das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung genau im eigenen Raum (Spielfeld) statt. Die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ist ein Grundprinzip des Lebens, aber in der Arena des Unternehmertums führt sie zur Interaktion zwischen Unternehmer und Kunde (wobei beide abwechselnd Ursache und Wirkung sind). Und dies ist eine der Arten, auf die dieses Trio von Betrachtungen miteinander verbunden ist.
Wenn wir gerade über Raum sprechen, dann lassen Sie mich kurz, aber konkret über die Betrachtungen drei (Blickwinkel), vier (Ursache und Wirkung) und fünf (Raum) philosophieren und sie miteinander in Verbindung bringen. Zum Anfang sollte ich sagen, dass Blickwinkel und Raum gleichermaßen voneinander abhängen. Seefahrer und Piloten überblicken und beanspruchen viel Raum. Daraus resultiert, dass sie einen sehr anderen Blickwinkel haben (und dies in jedem Sinne) als ein Büroangestellter in einer Box im Großraumbüro. Gleiches gilt umgekehrt: Der Blickwinkel großer Entdecker wie Vasco da Gama, Kolumbus und Roald Amundsen führt sie auf Abenteuer durch weiten und unbegrenzten Raum. Die eigene Definition von Unternehmertum ist eine bestimmte Art Blickwinkel: Wie weit soll der eigene unternehmerische Raum sein? Große Geister wie Steve Jobs und Elon Musk haben einen bestimmten Blickwinkel und spielen so in einer weltweiten (oder sogar kosmischen) Arena, während jemand anderes bereits mit einem Dorfladen zufrieden ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass Auffassungen von Raum das Betätigungsfeld des Unternehmertums vorgeben können – die Händler der antiken Seidenstraße, so eingeschränkt sie technologisch auch waren, wussten, dass zwischen Europa und dem Orient Raum liegt und so bedeutete Unternehmertum für sie, über tausende von Meilen hinweg Handel zu betreiben.
PHILOSOPHISCHER EXKURS
PHILOSOPHISCHER EXKURS
Über den Raum, den Blickwinkel und deren Verbindung
EINEN EINZIGARTIGEN BLICKWINKEL AUSWÄHLEN

hinsichtlich der bestehenden Abläufe
Neue Wege
Neue Ideen und Konzepte
hinsichtlich des zu beanspruchenden Raums
— Kunden
— Ressourcen
Unternehmer
Verschiedene Goldfische werden sich hinsichtlich ihrer Fähigkeiten unterscheiden, wenn es darum geht, Teile ihres eigenen „Paraquaria" zu erobern und den Raum einzunehmen, der für sie von entscheidender Bedeutung ist; aber es gibt eine ausschlaggebende Regel, die diese Fähigkeit bestimmt. Das wird unsere sechste Betrachtung sein, die ich gerne nun mit Ihnen teile.
UNTERSCHIEDLICHE FÄHIGKEITEN - EINE AUSSCHLAGGEBENDE REGEL
Bedenken Sie Folgendes: Jedes Mal, wenn Goschio sich der Grenze nähert, dieser „gefahrvollen" Grenze zwischen den beiden Welten, ihrem eigenen geliebten Aquaria und der gewaltigen Welt von Paraquaria, verspürt sie unbeschreibliches, unendliches Grauen, beinahe als stünde sie am Rand des Nichts in Phantásien.
Die Fähigkeit, die Wände des Aquariums nach außen zu verschieben und damit in der Konsequenz sein Blickfeld zu erweitern und das tatsächliche Volumen des Aquariums zu vergrößern, hängt hauptsächlich davon ab, wie sehr und wie gut unser Goldfisch die Welt rundherum (die Umwelt außerhalb dieser Wände) versteht. Die Umwelt beeinflusst das Aquarium tatsächlich signifikant, und es diktiert sowohl die Geschwindigkeit als auch die Richtung, in die sich Aquaria und all seine glücklichen und lebhaften Bewohner bewegen. Bei fehlender Kenntnis der äußeren Welt wird der Goldfisch zögern, auch nur in die Nähe der Grenzen des Aquariums vorzudringen und wird sich stattdessen entscheiden, in sicheren, wenn auch einengenden Wassern zu verweilen – abseits der unbekannten und unerforschten Strömungen der „paraquarischen" Welt.
Sechste Betrachtung: Freiheit oder Geborgenheit?
UM DIE WÄNDE DES AQUARIUMS ZU ERWEITERN BRAUCHT MAN WISSEN
über die Welt, die einen umgibt
GEWISSHEIT
UNGEWISSHEIT
ICH WEISS NICHT, WAS DORT IST:-(
DAS UNBEKANNTE
Doch wie Sie es auch drehen und wenden, Goschio wird auf der Suche nach der Freiheit einiges tun müssen: Sie wird eine wegweisende Entdeckerin von zuvor noch auf keiner Karte verzeichneten Marktwogen von Paraquaria werden und die Territorien außerhalb ihrer aquatischen Welt entdecken müssen, und sie wird auf Bewohner der jenseitigen Welt treffen – am besten, sie freundet sich mit ihnen an.
FREIHEIT
GEBORGENHEIT?
oder
REISEFÜHRER für PARAQUARIA
Wenn wir gerade von Weltanschauungen sprechen, die Unterschiede zwischen ihnen können anhand eines weiteren wichtigen philosophischen Prinzips illustriert werden: An welcher Stelle der Unternehmer mit dem Problemlösungsprozess beginnt und an welcher Stelle er (oder sie) beschließt, ihn zu beenden, hängt allein von den Überzeugungen und Annahmen des Einzelnen ab – mit anderen Worten, von der eigenen Weltanschauung des Unternehmers.
Bevor Goschio ihre Aufmerksamkeit auf die äußere Welt richten und auf Erkundungsreise aufbrechen könnte, müsste sie erst ihre Weltanschauung ändern. Ihre gegenwärtige Sicht des Lebens hat einen gewissen Widerwillen gegen Veränderung mit sich gebracht und ein bequemes (wenn auch beschränktes) goldfischiges Dasein erlaubt – was sich im Spiegel ihres Lebens anhand all jener Dinge zeigt, an die sie sich seit ihren ersten Anfängen gewöhnt hat. Dieser Fehler war es, der unserem Goldfischlein einen solch verteufelten Streich spielte und sie im Innern des Aquariums „einkerkerte".
Siebte Betrachtung: Sträuben Sie sich nicht gegen Veränderungen
EINE KOMPLETT NEUE WELTANSICHT
ES IST UNABDINGBAR, DIE EIGENE PERSPEKTIVE ZU ÄNDERN
Die eigene Weltanschauung bestimmt den Beginn der Phase der Entscheidungsfindung
ÜBERZEUGUNGEN
ANNAHMEN
WELTANSCHAUUNG
ES GIBT KEINEN GRUND sich GEGEN VERÄNDERUNGEN ZU STRÄUBEN
Jetzt werden wir sehen, wie Unsicherheit und damit Versagensangst entstehen. Um unseren Vergleich aus der ersten Betrachtung weiterzuspinnen, sagen wir einmal, dass wir ein Gemälde haben, dessen Konturen dem Rand von Quadrat C folgen, und das zwei weitere, kleinere Quadrate enthält: B und A. Jetzt nehmen wir an, dass der von Quadrat A umrahmte Abschnitt der einzige Teil des Gemäldes ist, den wir direkt betrachten können, während der (außerhalb der Ränder von A) nicht wahrnehmbar ist. In diesem Fall werden wir das im gesamten Quadrat C abgebildete Gemälde nicht erkennen oder uns vorstellen können – schließlich sehen wir nur einen von A umrahmten Ausschnitt. Währenddessen nagt an uns ein unbestimmtes (oder auch sehr bestimmtes) Gefühl, das uns sagt: Da ist noch mehr … Natürlich können wir Vermutungen darüber anstellen, was in den Quadraten B und C dargestellt sein könnte, indem wir uns allein auf das stützen, was im Ausschnitt A sichtbar ist. In diesem Fall ist unsere Mutmaßung bloß im Rahmen des Möglichen. Das ist uns bewusst. Wir spüren unsere eigene Unkenntnis und „Blindheit", unsere Unsicherheit, und daher rührt unsere Furcht. Dieses Phänomen ist der Hauptgrund für Unsicherheit in unseren Leben – wir sind gezwungen, die gesamte „Leinwand des Lebens" aus nur einem einzigen winzigen Ausschnitt, den wir direkt betrachten und wahrnehmen und verstehen können, herauszulesen. Und das bringt uns zu unserer nächsten Betrachtung, Nummer Neun.
Achte Betrachtung: Furcht vor dem Unbekannten Um in ihrem Streben außerhalb des Aquariums erfolgreich zu sein, muss das Goldfischchen Goschio ihre Furcht vor dem Unbekannten überwinden. Eine solche Furcht stammt immer von Komplexität und Unsicherheit her – mit anderen Worten, sie ist ein Symptom davon, dass man seine Umwelt nicht versteht. Furcht und Unwissenheit sind verwandte Phänomene.
A
B
C
BILDAUSSCHNITT
GESAMTBILD
Sehr beängstigend
Nicht beängstigend
Nichts ist bekannt
Alles ist bekannt
FURCHT UND UNWISSENHEIT
sind verwandte Phänomene
Wenn wir nur einen Teil des ganzen Bildes betrachten (wie Kreis A in der Darstellung), sieht dieser Ausschnitt für uns vielleicht aus, als sei er das gesamte Bild (Kreis B), während unsere Vorstellungskraft die fehlenden Bereiche ergänzt. Damit ersinnen wir eine Endfassung des Gegenstands, eine Version, die uns klar und logisch scheint (Kreis C).
Nur, dass das wirkliche Objekt (die Giraffe) und das Gegenstück, das wir uns so findig aus einem Teil des Ganzen zusammengeschustert haben, zwei völlig unterschiedliche Dinge sind.
Neunte Betrachtung: Ganz oder teilweise?
Wenn wir dies auf das Unternehmertum übertragen, können wir unser Beispiel weiterführen und einen Fehler bei der Wahl der Zielgruppe illustrieren. Sagen wir, der Unternehmer oder die Unternehmerin hat ein Produkt, eine „Abdeckung" für die Zähne aus einem festen, elastischen Material. In der zahnärztlichen Fachsprache nennt sich das „Aligner-Schiene". Der Unternehmer entwickelte und fertigte diese standardisierten Aligner-Schienen – sie wurden serienmäßig produziert und auf den Markt gebracht. Aber die Kunden im Markt kaufen sie einfach nicht. Warum? – Gute Frage. Weil in unserem Beispiel die wirkliche Zielgruppe auf dem Markt Giraffen sind – es gibt keine Krokodile (oder auch Alligatoren, was das betrifft). Doch unser Unternehmer war so sicher, nur Krokodile im Markt gesehen zu haben (für ihn waren da keine Giraffen!), und entwickelte deshalb ein Produkt, das auf die Zähne eines Krokodils passt. Unglücklicherweise haben Giraffen einen etwas anderen Kieferbau als Krokodile, und Krokodil-Aligner-Schienen passen ihnen so gar nicht. Das schlimmste daran ist jedoch, dass Giraffen nur an ihrem Unterkiefer Vorderzähne haben und oben nicht! Aber was sie haben, ist ein harter Gaumen. Die Giraffe benutzt ihre unteren Zähne, um Ästlein und Zweiglein gegen diesen harten Gaumen zu drücken und festzuhalten. Dann schüttelt sie den Kopf und zieht ihr Mittagessen von den Bäumen und Büschen ab. Doch nun, beklagenswerterweise, ist die Giraffe in einer misslichen Lage: Denn die „Extrazähne" der Krokodil-Aligner-Schiene hindern sie nicht nur daran, Zweige abzubeißen, sondern sogar den Mund zu schließen – doch Giraffen können nun mal nicht lange mit offenen Mäulern herumlaufen. Im Großen und Ganzen mögen die Giraffen diese Vorrichtung nicht besonders und kaufen sie nicht länger. So hat sich das alles also zugetragen. Auf den ersten Blick glaubt mein Leser vielleicht, dass ich mit diesem Beispiel ein bisschen oder sogar sehr übertrieben habe. Da stimme ich Ihnen zu. Aber wenn Sie sich genau umschauen, bin ich beinah vollständig überzeugt, dass sie viele leibhaftige Beispiele ähnlicher Fehler finden werden.
DER VERSUCH ETWAS ZU VERSTEHEN OHNE DAS GESAMTE BILD ZU HABEN, KANN ZU FEHLER FÜHREN
А
B
С
ZIELGRUPPE: VON DER BEDEUTUNG INS SCHWARZE ZU TREFFEN
Vermutete Zielgruppe
PRODUKT
passt
pass nicht
Tatsächliche Zielgruppe
EIN TEIL oder DAS GANZE?
ICH BIN DOCH KEIN KROKODIL!
???
Die gegenwärtigen Grenzen des Aquariums können in vier höchst magischen Schritten "berechnet" werden. Bevor ich sie aufliste, ist es nur fair, wenn ich erkläre, warum Sie überhaupt die Grenzen Ihres eigenen „Aquarias" berechnen wollen würden. Es gibt diverse Gründe, aber ein Punkt fällt auf: Wenn Sie wissen, wo Ihr „Aquaria" aufhört und „Paraquaria" beginnt, wissen Sie auch, wer Teammitglied, Freund, Rivale oder Gegenspieler ist – oder einfach jemand der nicht zu Ihrem Team gehört. Sie wissen genau, wo Ihre Loyalitäten liegen und was die Entscheidungsgrundlage sein sollte. Das soll nicht heißen, dass wir „Paraquaria" übel wollen oder vorhaben, gegen „Paraquaria" in den Krieg zu ziehen (Krieg ist ein Spiel für Wahnsinnige) – nein, wir sind an einem breiten Panorama und einer Win-Win-Situation interessiert, aber trotzdem kann es nicht schaden, zu wissen, wo die Grenzen des Spielfelds sind, wo Ihr eigenes Tor steht und wer Ihre Mannschaftskollegen sind, nicht wahr? Das hilft uns, Fehltritte wie Eigentore oder Tackles auf unsere eigenen Teammitglieder zu vermeiden – ein Fehler, der im richtigen Leben leider Gottes allzu oft gemacht wird.
Unsere zehnte und letzte Betrachtung könnte das Geheimnis von Erfolg genannt werden. Sie hilft, unserem wunderschönen Goldfischchen beizubringen, zwei Dinge zu tun: ihr Aquarium richtig zu dimensionieren und die grundlegenden Prinzipien davon, wie ihre Umwelt operiert, zu verstehen. Lassen Sie uns zu unserer abschließenden Betrachtung übergehen. Zehnte Betrachtung: Werten Sie Ihre Welt aus!
(oder Goschios Zauberformel)
a
b
X
R
Y
EVALUIERUNG DER UMWELT
ERSTER SCHRITT:
Entscheiden, welche der Probleme es wert sind, untersucht zu werden
ZWEITER SCHRITT:
Die geeigneten Vorgehensweisen finden, um die Probleme zu analysieren
DRITTER SCHRITT:
Annehmbare Erklärungen für die Existenz dieser Probleme finden
VIERTER SCHRITT:
Die besten Methoden auswählen, um die auserwählten Probleme effektiv zu lösen
UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEN AQUARIEN
Nun, da ich erklärt habe warum, lassen Sie uns sehen, wie es gemacht wird. Erster Schritt: Der Goldfisch muss entscheiden, welche der Probleme seines gegenwärtigen Lebens und seiner Tätigkeiten er wert findet, untersucht zu werden.
Der zweite Schritt ist, die geeigneten Vorgehensweisen zu finden, um diese Probleme zu analysieren.
Im dritten Schritt ist es nötig, dass der Goldfisch annehmbare Erklärungen für das Vorhandensein dieser Probleme findet – annehmbar für den Goldfisch, wohlgemerkt. (Erstaunlicherweise wird jede Erklärung eine gewisse Ruhe herbeiführen, aber nur die richtige wird wirklich helfen.)
Schließlich besteht der vierte Schritt darin, die besten Methoden auszuwählen, um die auserwählten Probleme effektiv zu lösen.
Das sagt uns, dass zwei verschiedene „Aquarien" auch zu sehr unterschiedlichen Problemformulierungen führen würden; wie auch zu individuellen Methoden, diese Probleme zu untersuchen; zu verschiedenen Erklärungen für das Vorhandensein dieser Probleme; und zu einzigartigen Lösungsansätzen. Wir sehen also, dass die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen zwei oder mehr „Aquarien" von genau diesen vier Schlüsselfaktoren bestimmt werden.
WARUM Grenzen?
Und das ist das magische, wenn auch einfache, Geheimnis des Erfolgs … aber die ausführliche Ausführung dieses Geheimnisses, werter Leser, ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
VIER SCHRITTE
Entscheiden, welche der Probleme des gegenwärtigen Lebens und der Tätigkeiten es wert sind, untersucht zu werden.
Geeigneten Vorgehensweisen finden, um diese Probleme zu analysieren.
Annehmbare Erklärungen für das Vorhandensein dieser Probleme finden.
Auswahl der besten Methoden, um die auserwählten Probleme effektiv zu lösen.
Wenn wir nicht vergleichen und unterscheiden können, wie könnten wir dann je Licht ins Dunkel bringen und herausfinden, warum beispielsweise ein Goldfisch in seinem Aquarium überlebt, während andere Goldfische in benachbarten Aquarien zu Grunde gehen? Und das ist genau der Grund, weshalb die Fähigkeit zu unterscheiden der heilige Gral von Kunst sowie der Kunst des Unternehmertums und menschlicher Beziehungen ist, und sogar von Lebenskunst selbst.
Wir könnten das unsere allerletzte, ungeplante Zusatzbetrachtung nennen… Im wirklichen Leben sind die Fähigkeit zu vergleichen und die Fähigkeit zu unterscheiden miteinander verwoben, und diese letztere Fähigkeit ist der Grundpfeiler jeder achtsamen und bewussten menschlichen Aktivität. Ich könnte noch hinzufügen, dass die Fähigkeit zu unterscheiden der Eckpfeiler von Vernunft selbst ist. Wahrscheinlich würden Sie Folgendem zustimmen: Wenn jemand nicht zwischen einer Zahnbürste und Zahnpasta unterscheiden oder Taxis und Streifenwagen nicht auseinanderhalten kann, oder Messer mit Menschenfresser oder Gabeln mit Fabeln verwechselt, wenn ein Betrachter nicht einmal die kleinen, aber entscheidenden Unterschiede zwischen einem Stuhl und einem Sessel oder Süß- und Salzwasser erkennen kann – dann wird unweigerlich über kurz oder lang etwas Unangenehmes geschehen.
Zusatzbetrachtung: Lernen Sie zu unterscheiden
DIE FÄHIGKEIT ZU VERGLEICHEN UND ZU UNTERSCHEIDEN
LERNE ZU UNTERSCHEIDEN
tote Fische
Information
A
B
Information
mehr
weniger
Steinchen
lebende Fische
Wasser mit Sauerstoff
Behältnis
Steinchen
Behältnis
Wasser ohne Sauerstoff
lebende Fische
lebende Fische
MÖGLICHKEITEN DER INTERAKTION
ES IST HILFREICH, AQUARIEN ZU ANALYSIEREN
Nach deren Bestandteilen und nach deren Interaktionen
BETRACHTETES BILD
IDENTIFIKATION DER UNTERSCHIEDE
ABGLEICH
Nachwort
Vielen Dank, mein Leser, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Goschio Goldfisch kennenzulernen.
In meiner Fabel habe ich den Begriff „Betrachtung" verwendet, um damit einen bestimmten Punkt, Fakt oder Umstand zu bezeichnen, der die Situation in Aquaria als Ganzes oder das Resultat, das unsere Goschio erreichen will, beeinflusst.
Alle diese Betrachtungen sind eng miteinander verwoben, und oft ist es unmöglich, eine klare Grenze zwischen ihnen zu ziehen. Normalerweise sind sie (oder vielmehr die Konzepte, für die sie stehen) alle in den Vorstellungen der Leute so miteinander zu einem undurchdringbaren und komplexen Knäuel von Gedanken, Ideen und Wahrnehmungen verschlungen, dass das Resultat ein regelrechtes Labyrinth ist – eines, sollte ich anmerken, in dem Goschio weit furchteinflößenderen Kreaturen als sogar dem Minotaur begegnen könnte. Und obwohl sie durchaus tapfer ist …
Um zur wirklichen Welt des Unternehmertums zurückzukehren, lassen Sie mich erwähnen, dass sich verworrene Gedanken, Ideen und Wahrnehmungen über die Geschäftswelt zu allerlei Denkmustern unter den Goldfischen – sprich: den Unternehmern – vermischen.
Gleichwohl konzentriert sich jede der zehn Betrachtungen auf ein spezifisches Gebiet solchen Denkens, mit dem Ziel, dem Leser zu helfen, solche Denkprozesse von vollkommen anderen und manchmal höchst überraschenden Aspekten her zu betrachten.
Wertester Leser … leider gehen Fabeln und Märchen (selbst solche über das Unternehmertum) irgendwann zu Ende, und so ist es Zeit, „Lebwohl" zu sagen, oder vielmehr „Auf Wiedersehen!"
Ich bin überzeugt, dass wir uns demnächst auf den tobenden und stürmischen Marktwogen von Paraquaria erneut begegnen werden – begegnen und davonsegeln, weg von den warmen und gemütlichen aquarischen Strömungen der alten vertrauten Welt, die bald in den weiten Leeren und leeren Weiten des Nichts verschwinden werden.
Zum Schluss bleibt noch zu sagen: Und die Moral von der Geschicht'? Erfolg macht man, oder nicht! Oder wie Märchen in meiner Kultur oft enden: Hast du den Sinn erfasst, hab Dank, mein Freund, und gönn' dir Rast!
Mit goschianischen Wünschen,
Jaroslavs Kaplans